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                                               Sonntag, 20. März 2005, 21:00 Uhr
                                                            Pirate Cinema Berlin
                                                                Ziegelstrasse 20

                                                                   ca. 21:30 Uhr
                                                  Nico Icon (Susanne Ofteringer)
                                                                1995, 70 Minuten

                                                                   ca. 22:40 Uhr
                                                I'll Be Your Mirror (Nan Goldin)
                                                                1996, 50 Minuten

                                                                  davor + danach
                                                     Chelsea Girls (Andy Warhol)
                                                               1966, 210 Minuten

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Falls Sie nicht wissen, warum Sie am Sonntag kommen sollten, dann kommen Sie
doch bitte wegen einer ganz bestimmten Szene aus "Nico Icon", in der, mehr noch
als eine aussergewöhnliche Person, eine aussergewöhnliche persönliche Geschichte
oder das aussergewöhnliche persönliche Vermögen, seine Unterscheidungsfähigkeit
nicht zu verlieren, ein besonderer gesellschaftlicher Zustand sichtbar wird, das
zugleich historische, tatsächliche und mögliche Zusammentreffen besonderer
gesellschaftlicher Bedingungen, die für das Zustandekommen aussergewöhnlicher
Geschichten, also nicht-entfremdeten Lebens, Grundbedingungen waren, sind oder
wären. Susanne Ofteringer hat jemanden aufgetrieben, der Carlos heisst, 1960 in
Paris mit Nico befreundet war, zum ersten Mal auf einer Strasse, mit Hund, also
als Clochard gezeigt wird, und der, während er in einer schäbigen Wohnung sitzt,
die ihm vermutlich nicht einmal gehört, und Rotwein trinkt, den offensichtlich
Susanne Ofteringer bezahlt hat, über den Vater von Nicos Sohn sagt: "Er war zu
vulgär für sie. Alain Delon war der Sohn eines Fleischers. Und das ist er immer
noch. Seine Familie hat verkauft, was du hier mitgebracht hast: Würste. Wenn du
in so etwas hineingeboren wirst, dann bleibst du immer ein Wurstverkäufer."

Später stellt jemand, der nicht im Bild zu sehen ist, Nico, 1986 in Barcelona,
die vollkommen idiotische Frage, ob sie etwas bereue, und Nico antwortet: "Nein,
ich bereue nichts. Nur, dass ich nicht als Mann, sondern als Frau geboren wurde.
Das bereue ich." - und wenn Nan Goldin dann, noch später, zu Beginn von "I'll Be
Your Mirror", sagt: "Ich habe meine Freunde nie als Männer gesehen, die sich als
Frauen verkleiden, sondern als etwas völlig anderes, ein drittes Geschlecht, das
plausibler war als die beiden anderen." - dann ist da, wie auch in ihren Fotos,
ein Fortschritt zu sehen. Wo, in "I'll Be Your Mirror", kein Fortschritt zu
sehen ist, sondern am Ende eher doch bloss eine auf ihre jeweiligen Territorien
zurückgeworfene Grossfamilie von Freunden, wird zumindest deutlich, warum nicht:
weil sie zu spät nach New York gezogen sind, um Andy Warhol zu treffen, dafür
aber gerade rechtzeitig, um an AIDS zu sterben. Und später der BBC, die den Film
mit Nan Goldin zusammen gedreht hat, auf den Leim zu gehen, die nicht nur für
den Schnitt, der am laufenden Band irgendwelche Kreise sich schliessen macht,
verantwortlich ist, sondern auch für den Soundtrack, den wir, was der Vorteil an
"Pirate Cinema" ist, zumindest phasenweise ausblenden oder auswechseln können.

Die Frage, wie man einen biografischen oder autobiografischen Film macht, also
wie man ein Leben zeigt, von dem sich ja nicht notwendigerweise auf Kinderfotos,
in der elterlichen Wohnung oder im Gespräch mit ehemaligen Liebhabern etwas
abbildet, von dem man aber doch, wenn man einen Film macht, bereits einen
bestimmten bildlichen Eindruck hat, den man irgendwie sichtbar machen müsste,
kann weder "Nico Icon" noch "I'll Be Your Mirror" beantworten. Als Nico nach New
York zieht, fährt die Kamera über die Manhattan Bridge nach Manhattan und filmt,
links, das World Trade Center. Als Nan Goldin nach New York zieht, fährt die
Kamera über die Williamsburg Bridge nach Manhattan und filmt, rechts, das Empire
State Building. Die Frage wäre also, zum Beispiel, ob es nicht noch eine dritte
Möglichkeit gäbe, von der Brooklyn Bridge, der George Washington Bridge oder dem
Holland Tunnel abgesehen, zu zeigen, wie jemand nach New York zieht, vielleicht
sogar warum, oder was sich in diesem Moment ändert. Was aber, im Vergleich zu
den Kinderfotos, elterlichen Wohnungen und ehemaligen Liebhabern, vor allem aber
angesichts der Musik, unter der man die wenigen Bilder, die einem einfallen,
meist gleich wieder begräbt, noch der mit Abstand unproblematischste Fall ist.

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